Goldschürfen in Bouda Neue Wege Nr. 4 April 2016
Die Gegend von Bouda liegt in einer schönen Savannen-Landschaft nordwestlich von Ouagadougou, etwa anderthalb Stunden Autofahrt auf der Asphaltstrasse von der burkinischen Hauptstadt entfernt. Das Grün der zahlreichen Bäume und Sträucher nimmt dem staubigen, steinigen Sandboden die Ödnis und Kargheit. Karg ist das Erdreich allerdings nicht, es enthält Gold. Und seit über 20 Jahren graben die Leute der Umgebung die Erde hier um, um dieses Gold zu gewinnen.
Von der Strasse aus sind die Goldschürfer und -schürferinnen nicht auszumachen. Biegt man von der Strasse ab, sieht man sie schon nach wenigen Hundert Metern Piste an der Arbeit. Es sind vor allem jüngere Männer und Frauen, aber auch einige Ältere. Und ihre Kinder sind da, Kleinkinder im bunten Wickeltuch auf dem Rücken der arbeitenden Mutter festgebunden, etwas grössere hocken oder krabbeln im Schatten eines Baumes auf dem Boden, der ja ein einziger Sandkasten ist. Noch ältere rennen herum und spielen mit Bruchstücken von alten Plastikkanistern die Erdtransporte von Lastwagen nach, die in einiger Entfernung ab und zu vorbeidonnern.
Goldschürfen erfordert viel Ausdauer und Geduld. Es beginnt mit dem Anlegen von Mulden im Boden. Die Männer und Frauen tragen die oberste Erdschicht ab und füllen die Gruben mit Wasser und Erdreich aus grösserer Tiefe auf. Das Wasser schöpfen sie mit Plastikeimern an langen Seilen aus der Tiefe eines Sodbrunnens, den sie selber angelegt haben. Dass es hier Grundwasser eines unterirdischen Flusslaufes gibt, verraten die zahlreichen Bäume verschiedener Arten. Nach einiger Zeit bildet sich in den Mulden eine braune Schlammbrühe, in denen Goldspuren zu finden sind. Eine junge, bunt gekleidete Frau im T-Shirt, mit Wickeltuch um die Hüften und Turban auf dem Kopf sucht danach in der Art, wie es in Flüssen gemacht wird, indem sie in einer Pfanne ein wenig Schlamm mit viel Wasser mit kreisenden Bewegungen auswäscht, immer und immer wieder, bis sich am Pfannenboden ein Hauch von Goldstaub abzuzeichnen beginnt. Mehrere junge Männer haben aufwändigere Verfahren eingerichtet. Wichtigster Bestandteil ist eine mit Stoff überzogene Blechrinne, die auf Sandsäcken aufgestützt eine schiefe Ebene zwischen zwei Wassermulden im Boden bildet. Am höchsten Punkt der Rinne befestigen sie eine löchrige Schale, gefüllt mit goldhaltigem Erdreich, das sie immerfort mit Wasser aus den Mulden begiessen. Die dadurch ausgewaschenen Goldkörnchen bleiben im Stoff haften.
Die Leute verrichten ihre Arbeit fast geräuschlos, man kann in der Nachmittagshitze das Zirpen der Zikaden hören. Hie und da schwatzen Frauen miteinander. Soweit das Auge reicht, verraten unzählige kleine Erdhügel, wie viel Aufwand die Menschen an diesem Ort schon getrieben haben, um Gold zu gewinnen. Wo die Auswasch-Arbeit beendet ist, bleiben trockene Gruben wie Pockennarben in der «Bodenhaut» zurück. Wo noch nach Gold gesucht wird, bilden die mit Wasser gefüllten Gruben eine Landschaft kleiner Kraterseen.
Doch wir – mein burkinischer Begleiter und ich – haben erst den kleinsten Teil der Goldförderung von Bouda gesehen. Als wir zu Fuss eine kleine Anhöhe erklimmen, breitet sich eine Mondlandschaft mit unzähligen Kratern und Erdhaufen vor uns aus. Menschen sehen wir keine. Hier muss während Jahren gearbeitet worden sein. Beim Näherkommen stellen wir fest, dass es sich nicht wie vorhin um Mulden, sondern um enge, tiefe Erdlöcher handelt. Dass es kräftigen, jungen Männern überhaupt möglich ist, in diese engen Schächte hinabzusteigen, ist schwer vorstellbar. Doch einige Zeit später begegnen wir solchen. Sie liegen im Schatten eines Busches neben der Schachtöffnung vor ihrem gehobenen Schatz, einem Häufchen Gestein auf einem Reis-Sack, den sie akribisch durchsuchen. Auf dem Sack ist noch die Herkunft lesbar: Thailand. Anderswo verrät ein schwarzer Plastikschlauch, der in die Schachttiefe geht, dass unten ein Goldgräber bei knapper Luft an der Arbeit ist. Dann sehen wir einen jungen Mann in einen etwas weiteren Schacht sich gegen die Wände sperrend Stück um Stück hinabsteigen. Ein Fehltritt, und er fiele viele Meter tief. Schliesslich öffnet sich das Gelände und wir überblicken ein riesiges Gebiet mit felsigen Einschnitten und einem Wasserlauf, in dem viele Männer und Frauen mit noch grösserem Aufwand nach Gold graben. Ein Generator ist zu erkennen, Luftpumpen und -schläuche, ganze Ladungen von Rundhölzern zur Verkleidung von Schächten, Esel mit Karren, Fahrräder. In weiter Entfernung halten die Goldwäscher am Flusslauf kurz inne, als sie uns sehen, winken uns zu und fahren mit der Arbeit fort.
Auf unserem Rückweg gelangen wir an einen Zaun aus Maschendraht, der ein ausgedehntes Gelände abtrennt. Wir erkennen dahinter grosses Gerät und Maschinen. Pinsapo Gold S.A. heisst die russische Firma, die sich in Bouda anschickt, im grossen Stil Gold zu fördern und deren vorbeifahrende Lastwagen wir schon zu Beginn unseres Besuches wahrgenommen hatten. Über die Bedeutung der Goldförderung für Burkina Faso kann uns der indisch-stämmige Firmenvertreter, den wir ansprechen, nichts sagen. Aufschlussreicher ist da die neue Studie Profit wichtiger als Menschenrechte? Gold aus Burkina Faso und die Verantwortung der Schweiz von Fastenopfer/Brot für alle. Während vieler Jahre war Baumwolle Burkina Fasos wichtigstes Exportgut. Im Jahre 2009 wurde das «weisse Gold» vom eigentlichen Gold abgelöst. Die industrielle Goldproduktion hat in den letzten Jahren wesentlich zum Wirtschaftswachstum Burkina Fasos beigetragen, hat aber auch sehr negative Auswirkungen. Ganze Dörfer wurden umgesiedelt. Viele Bäuerinnen und Bauern haben ihr Ackerland verloren. Der enorme Wasserbedarf der Goldfirmen gefährdet die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung und der Gebrauch von Quecksilber und Zyanid schädigt die Umwelt, wie die Studie aufzeigt. Den Herausgebern geht es auch um die Verantwortung der Schweiz. Denn viel Gold aus Burkina Faso wird oder wurde bei der Schweizer Raffinerie Metalor verarbeitet: 2012 waren es 24t der offiziell insgesamt geförderten 29t (rund 85%).
Auf noch etwas verweist die Studie: Mit den industriellen Minen verlieren viele Leute einen kleinen, aber wichtigen Nebenverdienst. Mit dem Goldschürfen lässt sich die Armut ein wenig lindern. Das weiss der 10jährige, mit weissem Staub bedeckte Daniel, der jetzt im «Comptoir» mit Argusaugen das Abwägen seines Häufchens Goldstaub verfolgt, das der Käufer vor dem Wägen mit einem Magneten von möglichem Eisenstaub befreit. Drei Streichhölzer halten die kleinen Schälchen der Waage schliesslich im Gleichgewicht, was 3’750 Franc CFA (knapp 7 Fr.) ergibt. Daniels Gesicht leuchtet, wenn er das Geld in eine kleine Bundtasche steckt und den Reissverschluss zuzieht. Schule? Nein. Mit dem Gold kann ich besser leben, meint er lachend, und zieht von dannen. (26.2.2016)